Redebeitrag von Vorstandsmitglied Rainer Lotz zur Demo „Herz statt Hetze“
Ich stehe hier als Mitglied von „Willkommen in Wertheim“. Wir sehen die Aufgabe unseres Vereins darin, Flüchtlinge bei ihrer Ankunft und bei ihrer Integration praktisch zu unterstützen. Konkret geschieht das gegenwärtig durch die Betreuung von Einzelpersonen und Familien. Das ist kein ein-Punkt-Programm, sondern es geht um ein breites Spektrum. Angefangen bei der Wohnungssuche, der Einrichtung und Kleidung, dem Umgang mit Behörden, Erziehung und Ausbildung der Kinder, Hilfe bei der Arbeitssuche und insbesondere beim Deutschlernen bis hin zu einem freundschaftlichen und vertraulichen Verhältnis mit uns als Ortsansässige und deutsche Bürger. Damit will ich verdeutlichen, dass wir eine grundsätzlich andere Haltung als die AfD bei der massiven Zuwanderung und Aufnahme von Flüchtlingen einnehmen.
Unsere Arbeit braucht natürlich Öffentlichkeit und Präsenz in den Medien, um die Unterstützung durch andere Personen, Vereine, Firmen und Institutionen zu gewinnen. Das verläuft jedoch ohne die schrillen Töne, mit denen rechtspopulistische Vereinigungen der Situation begegnen und sie für ihre parteipolitischen Ziele ausschlachten. Wir stehen für das Motto dieser Veranstaltung: „Solidarität statt Hetze“. Die selbsternannten Retter unserer Tradition und Kultur hingegen schüren Hass und Ängste – statt fundamentale abendländisch-christliche Werte wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit ernst zu nehmen zu praktizieren. Große Teile der AfD haben sich unter der Führung von Björn Höcke und Alexander Gauland von einem pluralistischen Gesellschaftsprojekt verabschiedet. In seiner Rede vom 17.1.2017 in Dresden stellt Höcke die heutige Bundesrepublik auf eine Stufe mit der DDR. Er ruft zu einer „inhaltlichen Fundamentalopposition“ auf. (Über diese ‚Inhalte‘ wird noch zu reden sein.) Er spricht von der „historischen Mission“ seiner „Bewegungspartei“, weil wir „nach einem Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer wieder in einer politischen Wendezeit angekommen sind“. Er wirft Angela Merkel mit Erich Honnecker in einen Topf und fragt im Anschluss „wie habe ich mich gegenüber einem Staat zu verhalten, dessen Regierung kapitale Rechtsbrüche begeht, die Verfassung missachtet?…“ usw.
Die „Pegida“ Agitation eignete sich in einer Mischung aus Islamophobie, Eliten- und Systemfeindlichkeit und einem kräftigen Schuss Deutschtümelei die emanzipatorische Parole „Wir sind das Volk“ an, mit der die Menschen in der ehemaligen DDR gegen einen Unrechtsstaat aufgestanden sind. Der Pegida Vorsitzende Lutz Bachmann war, wen wunderts, ebenfalls beim Kyffhäuser Treffen der rechtaußen AfD Elite um Gauland, Höcke und Meuthen anwesend. Der dort propagierte Populismus, der behauptet, ‚dem Volk‘ eine Stimme zu verleihen, betreibt eine Spaltung der Gesellschaft in „Wir und Die“. Die selbsternannten Vertreter des einzig wahren Volkswillens sehen die Moral auf ihrer Seite. Andersdenkende gelten hingegen als böse, als Volksverräter, die von gesellschaftlicher Teilhabe und Rechten ausgeschlossen werde sollen. Rechtspopulisten folgen einer antipluralistischen Logik. Sie sind ausgrenzend, bis hin zu rassistisch-völkischen, national-chauvinistischen und antisemitischen Gesellschaftsvorstellungen.
Derzeit spielen vor allem die Ablehnung der islamischen Religion und die Abwertung von Muslimen eine große und verbindende Rolle. Statt realer Problembearbeitung werden nationalstaatliche und globale Prozesse radikal simplifiziert und durch Angst- und Feindbildkonstruktionen wird ein Klima der Ausgrenzung geschürt. In seiner Rede beim Kyffhäuser Treffen vor wenigen Tagen kommt Höcke auf die Fundamente zu sprechen, auf die er die Politik der AfD gründen will. Er spricht von drei deutschen „Mythen“ wie er sie nennt: Das Nibelungenlied, die Figur des Faust und schließlich „der Kaiser im Berg“ von Kyffhausen. Versucht man konkrete Aussagen zur bevorstehenden Wahl im Internetauftritt der AfD zu finden, stößt man auf eine Menge „kein“ und „nein“, aber äußerst wenig praktikable Projekte, wie etwa Vorschläge zur Strukturverbesserung der östlichen Bundesländer. Die Forderung nach Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Einführung eines privatrechtlichen „Bürgerfunks“ verdient allerdings Beachtung. Will man auf diese Weise eine kritische Berichterstattung unter Kontrolle bringen?
Zum Abschluss noch eine Bemerkung eines prominenten Mitbegründers der AfD, Olaf Henkel, der von seinem Amt als Vizevorsitzender 2015 zurücktrat. Er sagte: „Wir haben unterschätzt, welche Leute Höcke in die Partei eingeschleust hat. Menschen wie Höcke, sagte er „sind gefährlich“. Und auf Höckes Rede anlässlich der Wahlerfolge der AfD in Brandenburg und Thüringen reagierte er mit den Worten: „Oh Gott, dachte ich damals, der Kerl redet ja wie Joseph Göbbels“. Damit möchte ich enden und mit der ernstgemeinten Mahnung, aus unserer deutschen Geschichte zu lernen, wachsam zu sein und nicht zu glauben, dass es sich hier um ein vorüberziehendes Unwetter handle.